Veröffentlicht online am Freitag, 20. März 2015, 17:00 Uhr

Offener Brief an die Europäische Kommission

Europas digitaler Binnenmarkt muss mehrsprachig sein!

Die Strategie der Europäischen Kommission für den digitalen Binnenmarkt muss sich den Herausforderungen der Mehrsprachigkeit stellen, um gleiche digitale Chancen für alle Sprachen der EU sicherzustellen.

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Wir begrüßen die Pläne der Europäischen Kommission, in Europa einen digitalen Binnenmarkt einzurichten (Digital Single Market, DSM). Viel wurde schon erreicht und die Überwindung weiterer Grenzen und Hindernisse ist gegenwärtig Bestandteil der Ziele im Zuge der Errichtung des digitalen Binnenmarktes. Nichtsdestotrotz stellen Sprachbarrieren noch immer eines der größten Hindernisse bei der Erschaffung eines tatsächlich geeinten Europas sowohl in wirtschaftlicher als auch gesellschaftlicher Hinsicht dar. Unsere Sprachenvielfalt muss als Grundstein und hohes Kulturgut in Europa erhalten werden. Sprachbarrieren, die von unseren Sprachen hervorgerufen werden, zersplittern jedoch den europäischen Markt und sorgen so dafür, dass dieser sein wirtschaftliches Potential nicht voll ausschöpfen kann. Fast die Hälfte der EU-Bürger nutzt beim Online-Einkauf ausschließlich Anbieter in ihre Muttersprache, öffentliche Dienstleistungen werden jeweils nahezu ausschließlich in der nationalen Sprache angeboten und die Vielfalt an Bildungsangeboten und kulturellen Inhalten ist auf einzelne Länder oder Sprachgebiete begrenzt. Kleine und mittelständische Unternehmen sind in Europa in besonderer Weise benachteiligt, da die Bereitstellung von Inhalten in mehreren Sprachen mit sehr hohen Kosten verbunden ist was sich negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirkt.

Glücklicherweise ist es nicht notwendig, dass Europa seinen Schatz an sprachlicher Vielfalt aufgibt, um diese Sprachbarrieren zu überbrücken. Der technologische Fortschritt ist so weit, dass uns Möglichkeiten zur automatischen Übersetzung und weitere mehrsprachige Technologien zur Verfügung stehen. Auch wenn diese Methoden noch nicht perfekt ausgereift sind, so können sie doch bereits genutzt werden, um einen mehrsprachigen und sprachübergreifenden Zugang zu Webseiten und elektronischen Dienstleistungen zu ermöglichen, Wissen aus mehrsprachigen Daten zu gewinnen und die Effizienz von Übersetzern zu erhöhen. Bislang werden Technologien für maschinelle Online-Übersetzungen und Sprachtechnologieservices jedoch von globalen nicht-europäischen Firmen dominiert, deren Hauptaugenmerk auf Englisch und einigen weiteren der weltweit am häufigsten gesprochenen Sprachen liegt. Europäische Sprachen, deren wirtschaftliche Bedeutung nur gering ist, finden von diesen Firmen keine Beachtung. Dies hat zur Folge, dass fast die Hälfte der europäischen Bürger aufgrund ihrer Muttersprache digital benachteiligt ist. Der Markt allein ist nicht in der Lage, das europäische Sprachenproblem zu lösen, was ein sofortiges und gezieltes Handeln der EU erforderlich macht. Europa benötigt eine Strategie zur technologischen Überbrückung von Sprachbarrieren, zur Unterstützung der europäischen Wirtschaft und Bürger und um allen europäischen Sprachengemeinschaften Zugang zu mehrsprachigen Technologien zu geben. Nur wenn die Strategie der Europäischen Kommission die Nutzung technologischer Lösungen zur Überbrückung von Sprachbarrieren vorsieht, kann der digitale Binnenmarkt sein wahres Potential entfalten. Eine dieser Lösungen sollte die digitale Bereitstellung wichtiger Basistechnologien für alle Sprachen der EU vorsehen, die für alle Bürger, Unternehmen und Organisationen in der EU verfügbar sind. Auf dieser Grundlage wird es Technologie- und Dienstleistungsanbietern ermöglicht, zahlreiche kommerzielle Lösungen für verschiedenste Anforderungen und Bedürfnisse des Marktes zu entwickeln.

Wir sind davon überzeugt, dass solche technologischen Lösungen auf Grundlage herausragender Innovationen auf den Gebieten der europäischen Industrie sowie Forschung allen europäischen Bürgern, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen den Zugang zu qualitativ hochwertiger maschineller Übersetzung sowie ausgereiften Sprachlösungen für Unternehmen, Verbraucher und grenzüberschreitende öffentliche Dienstleistungen ermöglichen werden. Die europäische Industrie und europäische Sprachexperten arbeiten derzeit gemeinsam an der Ausarbeitung eines Strategieplans für den digitalen Binnenmarkt. Dieses Strategiepapier – die Strategische Forschungs- und Innovationsagenda für den digitalen Binnenmarkt – wird auf dem vom 27. bis 29. April in Riga, Lettland, stattfindenden Gipfeltreffen zum mehrsprachigen Binnenmarkt präsentiert. Wir möchten die Europäische Kommission dazu ermutigen, die Mehrsprachigkeit nicht nur als Herausforderung, sondern auch als große Chance für wirtschaftlichen Wachstum und sozialen Zusammenhalt zu begreifen. Wir, die unterzeichnenden Interessensvertreter – Wissenschaftler, Entwickler, kleine und mittelständische Unternehmer, Marktführer und Einzelpersonen – bitten die Europäische Kommission, sich der Herausforderung der Mehrsprachigkeit in ihrem Strategieplan für den digitalen Binnenmarkt anzunehmen und mit uns zusammenzuarbeiten, um Lösungen zur Überbrückung der Sprachbarrieren zu entwickeln und schließlich auf diesem Wege einen tatsächlich vereinten digitalen Binnenmarkt Realität werden zu lassen.

 

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